3.000 Euro Corona-Bonus für Volkswagen-Beschäftigte. „Warum die und nicht wir?“ lautete die reflexartige Frage in der WhatsApp-Gruppe, in der der dazugehörige Artikel gepostet wurde. Zumal ja bekannt ist, dass dort viele (feste) Mitarbeitende weitaus besser gestellt sind als die meisten Mitarbeitenden in der Pflege. Gleichzeitig werden viele Pflegekräfte bei der kommenden Corona-Prämie ein weiteres Mal leer ausgehen. Ich habe versucht, es mit einer Antwort zu erklären, die ich mir sehr schnell ergoogeln konnte: 11 Prozent der Pflegekräfte und 97 Prozent der VW-Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert. Die Reaktion: eisiges Schweigen.
Ob diese Zahlen im Detail brandaktuell sind, bedarf sicherlich einer gründlicheren Überprüfung. Der krasse Unterschied ist jedoch nicht wegzudiskutieren. Während bei VW nichts ohne die mächtige IG Metall läuft, gibt es in vielen vor allem privaten Pflegeeinrichtungen nicht einmal einen Betriebsrat. Gibt es einen, ist es oft mühsam, Kandidierende für die Wahlen zu finden. Diesen Spiegel müssen wir Pflegende uns vorhalten lassen, wenn wir das machen, was wir mitunter am besten beherrschen: jammern über die miesen Zustände.
Als eines Tages in Niedersachsen sozusagen die Politik reagierte und eine Vernetzung und Stimme der Pflegekräfte über die Pflegekammer erreichen wollte, war der Aufschrei riesig: „Nein zur Zwangsmitgliedschaft, nein zum Zwangsbeitrag!“ Plötzlich war seltenes Engagement erkennbar, wenn auch falsch kanalisiert: Pflegekräfte demonstrieren und nahmen an lebhaften Podiumsdiskussionen teil, viele von ihnen mit nur einem Ziel: „Weg mit der Pflegekammer!“ – an deren Sperrspitze ausgerechnet die Gewerkschaft Verdi. Selbst als die Kammer beitragsfrei wurde, wollte eine Mehrheit lieber wieder ihre Ruhe haben. Jedenfalls diejenigen, die überhaupt aus dem Quark kamen (15.100 von rund 78.000 befragten Mitgliedern) und votierten mit großer Mehrheit gegen die Kammer.
Selbst dort, wo Engagement niederschwellig oder kostenfrei möglich ist, sieht man immer nur wenige Pflegekräfte. Der Versuch, Pflegekräfte in Fachveranstaltungen zu locken, ist stets mühsam und vermittelt den engagierten Beteiligten ein nahezu familiäres Feeling, denn es sind oft dieselben teilnehmenden Gesichter. Arbeitgebende, die ihren Mitarbeitenden freiwillige Fortbildungsveranstaltungen anbieten, die dann im Idealfall als Arbeitszeit angerechnet werden, machen oft die Erfahrung, dass gerade mal die 10 Prozent-Schwelle überschritten wird. Netzwerke wie Linkedin und Xing sind für viele Berufsgruppen wichtige Karriere- und Austauschplattformen. Pflegekräfte sind auch hier massiv unterrepräsentiert.
Solange wir Angst davor haben, für unsere beruflichen oder persönlichen Anliegen Flagge zu zeigen und nicht bereit sind, monatlich den Wert von zwei bis drei Zigarettenpackungen auszugeben, um uns verbandlich oder gewerkschaftlich wenigstens mit einer Mitgliedschaft zu organisieren, bleibt es in der Pflege so wie es ist: mies! Die Zeit des Klatschens ist vorbei, wir müssen selbst anfangen, uns zu vernetzen, wenigstens niederschwellig.
Der Autor dieses Beitrages ist kein leuchtendes Vorbild, aber wenigstens selbst mal ein Stück weit aus dem Quark gekommen und Anfang des Jahres Mitglied der neuen Pflegegewerkschaft Bochumer Bund geworden, in regionalen pflegenahen Institutionen ebenfalls Mitglied sowie neuerdings auch bei Linkedin und Xing mit dabei. Immerhin ausbaufähig.
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